
Dem Schatten ins Auge sehen
Meine Erzählungen basieren allein auf meinen eigenen Erfahrungen. Namen habe ich frei erfunden, mögliche Ähnlichkeiten mit echten Personen sind rein zufällig.

Wege der Heilung
Schreiben ist einer meiner Wege der Heilung. Meine Gedanken müssen raus aus meinem Kopf. Schreiben ist nicht nur mein Ventil, sondern auch Reflexion. Etwas, das mir hilft, das Unfassbare irgendwann zu verstehen.
Vor der Reha waren wir ein sehr glückliches Paar. Wir waren wie Yin und Yang, verbunden durch eine tiefgehende Liebe und Dankbarkeit, einander zu haben. Der Albtraum begann mit seiner Rückkehr.
Ich weiß nicht, wohin sich mein Blog entwickeln wird. In solchen Dingen bin ich völlig unerfahren. Aber ich wünsche mir, dass hier ein Ort entsteht, an dem wir Erfahrungen teilen und uns gegenseitig stärken können.
Wenn du magst, trau dich und hinterlasse mir eine Nachricht. Vielleicht finden wir im Austausch ein kleines Stück Hoffnung – oder einfach das Gefühl, nicht allein zu sein.

Gemeinsam Kraft finden
Schatten deiner Kur
Millionen Gedanken irren durch meinen Kopf. Doch Millionen Nadelstiche treffen mein Herz. Ich lass dich los. Weil ich muss. Ich habe keine andere Wahl.
Tatsachen werden präsentiert – aus Feigheit und Scham erst drei Wochen nach der verfickten Reha. Du liebst mich, sagst du. Alles war echt. Wir waren eine sichere Bank, davon warst du überzeugt. Bis du dieser Frau begegnet bist. Uschi, so heißt sie. Sie war in der Reha, um Abstand von ihrem narzisstischen Ehemann zu bekommen. Sie ist quasi mit dem männlichen Pendant deiner Ex-Frau verheiratet.
„Du hast sie kurz kennengelernt, als Du mich besucht hattest. Aber da war noch nichts. Wir können uns nur vom Sehen“, schiebst du hinterher.
„Ach die, ja, die war nett“, hörte ich mich sagen.
Euer Leidensweg mit den narzisstischen Partnern verbindet euch. Austausch – intensiv und wohltuend. Der Mensch versteht einander. Überwältigung breitet sich aus. 100 % absolutes Verständnis für die anderen. Emotionen kochen über. Ihr fühlt euch magisch voneinander angezogen. Wehren war zwecklos. Zulassen, genießen. Gefühle wie bei deiner großen Liebe Marion kamen auf. Plötzlich zurückversetzt ins Jahr 1989.
„Ich war wieder 17 im Kopf“, sagtest du. So etwas hast du seit 40 Jahren nicht mehr gefühlt. Diese Art von Gefühlen hast du bei mir leider nicht. Aber du liebst mich. Es tut dir unendlich Leid.
Deine Augen füllten sich mit Tränen. Ich habe dir zugehört. Überraschend gefasst, schnell schon entspannt. Ich schaute dich an. Schlecht siehst du aus. Total fertig und kaputt. Große, dunkle Schatten umranden deine Augen – Augen, die einst mal strahlten und schelmisch lachten. Heute sah ich deine Augen: leer und matt, ausgelaugt und müde. Ich mache mir Sorgen.
Nach Marion hast du gehört zu fühlen. Der Schmerz war unerträglich, nachdem sie dich verlassen hatte. Er hat dein Herz in Fetzen gerissen, nichts übriggelassen. Ein halbes Jahr, ein Leben am Limit. Um zu vergessen, um den Schmerz auszuschalten, hast du es drauf angelegt.
Wenn tot, dann tot. Was macht das schon. Alles sinnlos ohne dich, meine große Liebe Marion.
Du hast diesen Verlust ertränkt in Whiskey und Bier, hast ihn mit Drogen weggedröhnt und alles gevögelt, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Raubbau an deinem Körper, an deiner Seele. Hauptsache nichts fühlen.
35 Jahre später sehe ich uns, wild knutschend und fummelnd auf meiner Couch. Wie zwei verliebte Teenager kamen wir uns vor.
Kichernd, lachend, streichelnd, überwältigt erregt. Purer Genuss, wachsende Lust erfüllte den Raum. Doch die Vernunft siegte. Schweren Herzens lösten wir uns voneinander. Es wäre viel zu früh, weiterzugehen.
Zuvor hatten wir uns lange nicht getraut auszusprechen, was wir füreinander empfanden. Wir waren doch Freunde. Kann das wirklich sein, dass wir uns ineinander verliebten? Wo würde diese Reise hingehen?
Er wird mich verletzen.
Ich darf sie nicht verletzen.
Wir müssen immer ehrlich zueinander sein.
In diesem Moment schworen wir uns, stete Ehrlichkeit, ganz gleich, was aus diesem wunderschönen Augenblick entstehen würde.
Versuche, es zu verstehen. Zu begreifen. Bleibt das jetzt so? Immer wieder schüttele ich meinen Kopf, so als könnte ich mit dieser Bewegung den Film anhalten und aussteigen.
Mittlerweile weiß ich: Es hat nichts mit mir zu tun. Es ist ganz allein deine Geschichte, in der du feststeckst. Uschi spielt dabei nur eine Statistikerrolle. Es hätte genauso gut eine Moni, Vera oder Helga sein können, die diesen Flashback der Gefühle ausgelöst hätte.
Wahrscheinlich ist dir Uschi nur begegnet, weil ihr eure gemeinsamen Erfahrungen mit euren Ehepartnern verbanden. Gemeinsame „Leidensthemen“ führen in einer Therapie-Bubble schnell zu einer vermeintlichen Verbindung. Der geschützte Rahmen einer Reha, die Freiheit, die man dort spürt – während Alltag und Leben außen vor bleiben – verstärkende Gefühle und Empfindungen. Sie können zu einem Rausch werden.
Genau das ist dir widerfahren. Es hat dich aus der Bahn geworfen. Lass dich an alles zweifeln.
Du weißt keinen anderen Ausweg, als alles, was dir lieb und teuer war, über Bord zu werfen. Du trittst nicht nur nach mir. Nein, wir waren zu einer liebevollen kleinen Familie zusammengewachsen: Du, meine erwachsenen Kinder, unsere Haustiere und ich. Voller bedingungsloser Liebe und blindem Vertrauen.
Alles zerstört. Nichts davon ist mehr übrig. Das ist ein hoher Preis, den du zahlst. Bist du dir dessen überhaupt bewusst? Ich glaube nicht. Aber es spielt für dich auch keine Rolle. Denn du bist in deinem Film, in deiner Geschichte von 1985.
Durch den Flashback deiner Gefühle bekommst du die Chance, nie verarbeitete Verletzungen zu heilen. Jeden Tag schicke ich dir gute Gedanken und hoffe, dass du den Mut und die Kraft findest, den Weg deiner Heilung zu gehen.
„Du hast alles Recht auf der Welt, mich zu hassen und mir ordentlich den Arsch aufzureißen.“ Höre ich dir immer noch sagen.
Was würde mir das bringen? Außer jeder Menge negativer Energien, die sich in mir breit machen – nichts.
Und außerdem liebe ich dich.

Wutzone
Ja, ich liebe dich.
Aber das schützt mich nicht vor meiner Wut.
Wut über deine Feigheit.
Unsere Beziehung beendet – per WhatsApp.
Ein paar klägliche Sätze. Mehr warst du nicht bereit.
Fünf gemeinsame Jahre.
Vermeintlich wunderbar.
Mit einem Fingertipp auf „Senden“ weggeworfen.
Während du mir den Boden unter den Füßen weggerissen hast, gehst du abends seelenruhig zum Weinfest. Genau dort, wo wir mit unseren Freunden verabredet waren.
So konntest du in Ruhe deine Mitleidsnummer abziehen.
Was dir in der Reha widerfahren ist.
Du armer Mensch.
Du konntest ja nichts dafür.
Ist einfach so passiert.
Ich konnte mich nicht wehren.
Bla bla bla …
Natürlich wurde die Trennung sofort bekannt gegeben.
Ohne ein Wort mit mir zu reden.
Du bist so armselig.