Erste Schritte

Nun saß ich da, im Wartebereich bei dieser Frauenberatungsstelle. Super nervös und angespannt, aber auch neugierig darauf, wie „so ein Gespräch“ von statten geht. Total schräg alles. Die Dame, die mir die Tür öffnete, hieß mich herzlich willkommen und tat so, als wäre es das normalste auf der Welt, eine Frauenberatungsstelle aufzusuchen. Das tat gut, gab mir etwas Sicherheit. Sie führte mich in ein Wartezimmer, das irgendwie gemütlich war. Auch kein klassisches Wartezimmer wie man es aus Arztpraxen kennt. Es wirkte einladend, schnell schon gemütlich. Meine Augen füllten sich wieder mit Tränen.

Aber genau dafür bin ich jetzt ja hier. Ein ganz tiefer Seufzer kam aus mir heraus. In diesem Moment trat eine Frau zu mir in das Wartezimmer, stellte sich als Sozialpädagogin Frau Paul vor und bat mich ihr zu folgen. Ihre Stimme war freundlich, wirkte beruhigend. Ich trottete hinter ihr her und setzte mich auf einen bequemen Stuhl, den Frau Paul mir zuwies.

Ich wusste zunächst nicht, was ich sagen sollte, wo ich anfangen sollte. „Wie geht es Ihnen?“ Fragte mich Frau Paul mit einfühlsamer Stimme. Wenn ich das wüsste, dachte ich und brach in Tränen aus. Ich kam mir plötzlich total albern vor. Habe ich überhaupt das Recht hier zu sitzen und die Zeit von der Sozialpädagogin in Anspruch zu nehmen? Es gibt Frauen, die wirkliche Probleme haben. Und sich nicht von irgendwelchen Hirngespinsten verrückt machen lassen.

„Ich weiß gar nicht, ob ich hier richtig bin.“ stammelte ich unter Tränen. „Frau Gröbel, es gibt bei uns weder richtig noch falsch. Sie sind hier, weil Sie etwas dazu bewegt hat einen Termin zu vereinbaren. Und das ist gut so.“ Sie reichte mir die Taschentuchbox. Ich zog dankend ein Taschentuch heraus, tupfte meine Tränen aus dem Gesicht und schnäuzte laut hinein.

„Mögen Sie mir etwas von sich erzählen?“ Fragte Sie mit ruhiger Stimme. Dann fing ich langsam an zu reden. Ich erzählte ihr von dem Film den ich gefahren bin. Beschrieb ihr die Bilder, die immer wieder vor meinem inneren Auge auftauchen und wie sehr sie mich verwirrten und ich immer mehr das Gefühl bekam wahnsinnig zu werden. Auch erzählte ich ihr von meiner Idee, dass mein Unterbewusstsein Ereignisse aus meiner Kindheit raus gekramt hat, da sie sich nicht länger verdrängen ließen.

Frau Paul bestätigte mir, dass Kinder sehr gute Verdrängungskünstler sind. Es sei eine von der Natur gegebene Überlebensstrategie traumatisierter Kinder. Sie hält es für durchaus möglich, dass es bei meiner Geschichte auch zutrifft.

Das hieße: Diese Bilder, die ich immer wieder sehe, sind Erinnerungen an eine Situation aus meiner Kindheit. Das würde auch erklären, warum ich den Geruch von Stroh aus dem Stall und den der Gänse so deutlich wahrnehme.

Langsam schließt sich der Kreis. Ich war wie gelähmt, saß da ​​und starrte vor mir hin. Mein Magen zog sich zusammen. Ich spürte wieder diesen Druck auf meiner Brust. Mein Atem wurde kurz und schnell, die Kehle zugeschnürt.

Das alles ist kein böser Traum. Es ist ein zur Realität gewordener Albtraum.

Ich muss hier weg. Raus. An die frische Luft.

Frau Paul sah mich besorgt an. Es fällt ihr offensichtlich schwer, mich so gehen zu lassen. Obwohl meine Zeit längst abgelaufen war, gab Sie mir noch eine Übung mit auf dem Weg, wie man Gedanken ausbruchsicher in einen Tresor einschließen kann. Diese Übung sollte ich immer dann einsetzen, wenn meine Gedanken wieder in diesen Traum drohen abzudriften. Zur Sicherheit schrieb sie mir noch eine Notfall-Telefonnummer, die ich bei Bedarf anrufen könnte. Wir machen einen Termin für die nächste Woche aus und verabschiedeten uns.

Ich lief zwei zusätzliche Runden durch den Stadtpark, bevor ich zu meinem Auto ging. Versuchte meine Gedanken zu sortieren. Das gelang mir aber nicht. Verwirrt und aufgewühlt fuhr ich nach Hause. Dort angekommen, rief ich sofort Armin an. Er war der einzige, dem ich blind vertraute war. Armin stand dann am späten Nachmittag mit einem bodenständigen Menü aus einem Sixpack Bier und einer großen Pizza von unserem Lieblingsitaliener vor meiner Tür. Armin gibt mir ein Gefühl von Sicherheit, wenn er in meiner Nähe ist. Wir verbrachten einen schönen Abend miteinander. Mein Psychoquatsch hatte heute Abend Pause und wurde in den Tresor eingeschlossen.

 

Vielen Dank für deinen Besuch.

Fortsetzung folgt bald.